Gilly Ziegenfell oder die Geschichte ohnegleichen

Eurythmietheater


In Erarbeitung seit April 2023.
Voraussichtliche Premiere: Frühling 2025.


 

Gilly Ziegenfell ist ein seltsamer Name. Genau genommen ist es eigentlich gar kein richtiger Name. Ein „Gilly“ ist einfach ein Gilly, ein Knecht. Gilly Ziegenfell besaß nichts, nicht Vater, nicht Mutter, keinen Freund und kein Spielzeug außer einem Bogen, der vom Dach des Hauses der drei Hexen mit den langen Zähnen herabgefallen war. Das einzige Kleidungsstück, das er je anlegte, war ein Ziegenfell...
Die Geschichte unseres Titelhelden ist eine merkwürdige, eine solche, die es im wahrsten Sinne wert ist, dass man beim Lesen und Lauschen aufmerkt: die Reisen und die Begegnungen des Gilly Ziegenfell sind von einer ganz besonderen Art... Nicht, dass er einfach nur Abenteuer wie am Schnürchen erlebt, nein, das ist nicht alles.
Vom einen Erlebnis und einer Begegnung zur anderen spinnen sich geheimnisvolle, zunächst unsichtbare Fäden, die doch mehr und mehr leuchtende Sichtbarkeit gewinnen, je weiter der Weg unter Gilly´s Füßen „in die Länge und Breite, in die Höhe und Tiefe, in das Dunkel und in den Glanz der Welt“ hineinwächst - Und all diese Fäden scheinen miteinander verknüpft zu sein: an diesem oder jenem Winkel zweigen sie ab, um hier oder dort wieder zusammenzuführen... Die Zauberfrau, die so alt wie jung zugleich ist, scheint wie eine Parze, die am Spinnrad des Schicksals sitzt und leise das Lied des Lebens murmelt - die Lieder all der vielen Wesen, die in ihrem verfallenen Haus ein und aus gehen ohne selbst recht zu wissen, weshalb - Und diese Lieder verweben sich zu einem großen Lied... Da erscheint der Grobian vom Kummerland, die alte Frau von Beare, der Königssohn von Irland, eine wilde Räuberbande, die Dienstmagd Morag, Fedelma, die reine Tochter des Zauberers der schwarzen Heide, die kleine rote Henne und manch andere sonderbare Kreatur...
Und dies eine große Lied wird zum Lied der „Insel des Schicksals“ selbst: Das Lied des alten Irland, des Landes Eirin, dem Land der Kelten und der Heimat der Barden, dem wandernden Volk der Geschichtenerzähler...

Was möchten uns diese bunten, diese heiteren, ernsten und auch verworrenen Bilder und merkwürdigen Wesen mitteilen? Warum wird so eine Geschichte heute erzählt?

Wenn wir uns selbst hineinstellen in die Wegspuren des Gilly Ziegenfell und seiner Abenteuer, so werden wir vielleicht bemerken, wie es uns vorkommt, als würden wir diesen Gang der Dinge, den Klang des Murmelns der Zauberfrau schon einmal vernommen haben. Es ist das Geheimnis des Webstuhls oder des Spinnrads hinter den Schritten, die wir im Leben tun, die uns an diese oder jene Orte, zu diesen oder jenen Menschen, zu diesen Aufgaben und Herausforderungen führen ohne dass wir recht wissen, warum. Gilly ist der Vertreter eines Menschenkindes, das nicht wie der Königssohn von Irland in die Gunst des Marschalls und einer königlichen Erziehung gestellt ist; er ist einer „ohne Herkunft“, aber ein solcher, der den Mut gewinnt, ohne Ziel und ohne Kenntnisse aus der eigenen Kraft heraus in die Welt zu wandern und sie zu erkunden. Und nach mancher bestandener Prüfung entdeckt die alte Frau von Beare auf seiner Brust die drei Sterne, die den Königssohn kennzeichnen!

Wir glauben, dass es mehr, dass es Kulturnahrung braucht, um den Geist und die Seele der Menschen zu berühren und ihnen eine Nahrung zu geben, die kein Brot und kein intellektuelles Wissen ihr zu reichen imstande sind.
Den Sinn für das Zwischenmenschliche, für die Tapferkeit des Willens, den Wahrheitssinn des Gefühls und die Ausdauer des Denkens können wir nicht gelehrt bekommen. Wir entwickeln sie im Leben. Aber um sie zu entwickeln, brauchen wir ab und an einen Anstoß der Seele an Bildern, die nicht in den Kopf gehen, sondern in das Gemüt.

Wir glauben, dass in einer Welt, die geprägt ist vom Überfluss der Informationen und Diskussionskultur genügend, ja vielleicht zu viel intellektueller Inhalt vorhanden ist. Darum möchten wir ein Element dazustellen, und das ganz besonders für die jungen Menschen im Schulalter, um durch die Bilder einer alten, weisheitsvollen Kultur eine träumende Schau in die tieferen Schichten der individuellen und sozialen Lebenswege zu vermitteln ohne dafür große Reden halten zu müssen als die, die die Märchenfiguren untereinander führen...

Die enge Zusammenarbeit von Schauspiel, Eurythmie, Sprache und Musik, die uns sehr am Herzen liegt, treiben wir mit diesem Projekt suchend weiter. Wir sehen die Verschwisterung dieser verschiedenen Kunstspezialitäten als dringend notwendig an, um ihr Fortbestehen für die Zukunft zu nähren!


Mitwirkende:

Ensemble Mistral Eurythmie und GastkünstlerInnen

Ab 7 Jahren.